Von der Idee zur Geschichte

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Der Roman “Drei wie Pech & Schwefel: Homunculus” begann ganz unschuldig mit einer Kurzgeschichte. Diese gab ich einer Freundin zu lesen und als sie ausgelesen hatte, sagte sie: “Toll! Und? Wie geht’s jetzt weiter?” – “Kurzgeschichten gehen nicht weiter!”, beharrte ich. Aber sie ließ nicht locker, Monate später ging eine Nachfolge-Kurzgeschichte an den Start. “Und? Wie geht es JETZT weiter?” – “Mennomenno! Kurzgeschichten gehen nicht immer weiter!”, sagte ich. Nach einer Weile fiel mir eine Fortsetzung dazu ein. Das ganze wiederholte sich. So langsam begriff ich, dass ich dabei war, einen Roman zu schreiben. Daraus geworden ist ein Fantasy-Roman, den ich selbst gerne lesen würde.

Bei “Auri oder Hier hausen Drachen” war es die Idee, dass die aktuelle Entwicklung der KI von den bescheidenen Anfängen wie Eliza bis hin zu ChatGPT 4o — mit allen Warnungen (die allesamt in den Wind geschossen werden) — genau so abläuft, wie die Aufzucht eines magischen Drachen, den man mit Unmengen von (in dem Fall magischem) Wissen füttert. Natürlich wollen alle einen haben — doch können sie ihn am Ende auch beherrschen? Daraus wurde ein Märchen für meine Nichte Juli mit einer (tatsächlich bislang geheimen) Meta-Erzählung für Erwachsene.

Einmal stand ich versonnen in meiner nicht allzu ordentlichen Küche und mein Gehirn dachte ins Unreine: “Du könntest die Küche auch mal wieder defragmentieren”. Der Gedanke hatte etwas. Daraus wurde eine SF-Kurzgeschichte über einen Kerl namens StingRay, der digitalisiert im NET lebt und eines Tages seine Wohnung defragmentiert, während sich noch ein lästiger Werbe-Daemon darin befindet.

Eines Nachts wurde ich schlagenden Herzens wach und hatte noch ein Traumbild vor Augen von Personen, die mittels einer technischen Einrichtung starr wie Skulpturen in einem Museum ausgestellt wurden. Daraus wurde das “Museum des Verbrechens”, in dem Täter so lange in Stasis gehalten werden, bis die Museumsbesucher das Interesse an ihnen bzw. ihrer Tat verlieren – was sehr lange sein kann – je nachdem, was sie angestellt haben.

Einmal war ich im Traum in einer Kopie meiner Heimatstadt unterwegs, sie war aber nur fragmentarisch erstellt worden. So stand in jedem Raum jedes Hauses nur ein Möbelstück stellvertretend für den Raum, also z.B. in Küchen ein Kühlschrank. Im Haus meiner Tante, welches ich nach ihrem Tod nicht mehr betreten habe, da es verkauft wurde, bewunderte ich das Bleiglas im Treppenhaus, mir vertraut seit frühester Kindheit. Es war eine wilde Mischung aus Wehmut und einem Gefühl des Unwirklichen. Im ansonsten leeren, antiken Bauknecht-Kühlschrank fanden sich im oberen Fach drei mit Alufolie abgedeckte Teller. Sie enthielten klaren Rotz, was ich im Traum ironisch eine „Willkommensmahlzeit“ nannte.
Ich finde teil-deployte Städte ein spannendes SF-Thema, welches ich mit Sicherheit einmal aufgreifen werde.

Einmal träumte ich von einem überkuppelten Hügel, der von innen beleuchtet war. An der Kuppe im Inneren befand sich ein Aufzug – eine Plattform, auf die man sich stellt und dann langsam im Boden versinkt, als würden von unten winzige Scheiben abgeschnitten. Keine Ahnung, was mein Gehirn sich dabei gedacht hat – ehrlich! Doch daraus wurde die Geschichte “Die Manufaktur des Sieges”. Die Szene habe ich 1:1 in einer Fantasy-Geschichte übernommen:

Hinter einer Ecke wartete General Nemeth auf ihn. Es sollte wohl nach einem zufälligen Zusammentreffen aussehen. Er war eine imposante Erscheinung mit goldenem Kragenspiegel, Großorden der Republik, Goldtressen und -knöpfen. Dazu trug er einen bodenständigen Feldmantel. Sein wilder Knebelbart war in Ehren ergraut. Itai salutierte zackig.

»Mein lieber November, schön, dass die Kontrollorgane des Sektors uns mal wieder beehren!«, strahlte der General, aber seine von Lachfalten umgebenen Augen blickten ernst dabei.

Itai nickte verhalten. Für gewöhnlich war die Anwesenheit eines Mitarbeiters der inneren Revision kein Grund zur Ausgelassenheit, nirgendwo.

»Kommen Sie, wir gehen ein paar Schritte!«, schnarrte der Befehlshaber. Sie verließen die markierten Pfade und durchschritten eine Tür, die mit »NUR FLUCHTWEG« beschriftet war. Sie befanden sich am Fuße des komplett mit hexagonalen Eisenplatten belegten Hügels. In luftiger Höhe wurde dieser überspannt von einem gewaltigen Rahmengerüst. Daran waren die ebenfalls sechseckigen, halbtransparenten Schellack-Bauelemente befestigt. Die Wölbung der Bodenerhebung im vollen Tageslicht aus dem Inneren heraus zu sehen, war ein denkwürdiger Anblick.

»Manchen wird schwindelig!«, bemerkte der General, der sich anschickte, im Marschtempo den Hügel zu erklimmen, Itai sah zu, dass er gleichzog. Tatsächlich spielte ihm sein Innenohr kurz einen Streich. In einiger Entfernung sah er eine Handvoll verstreuter Arbeiter, die blitzend und funkensprühend mit Schweißgeräten und Trennschleifern Ausbesserungen durchführten.

»Sie sind der gleichen Meinung wie General Mesmereth?«, fragte Nemeth.

»Jawohl, Herr General!«

»Erläutern Sie das – und sprechen Sie frei.«

Das Thema war heikel.

»Ich denke, Herr General, dass, wenn der Gegner am Boden liegt, der Kampf beendet sein sollte – bildlich gesprochen.«

Sie schritten zügig bergan. November stellte fest, dass der Befehlshaber trotz seines fortgeschrittenen Alters über eine ausgezeichnete körperliche Kondition verfügte. Der Feldmantel bauschte sich imposant auf beim Erklimmen des Hügels. Als der General es vorzog, zu schweigen, fuhr Itai fort.

»Es gibt in ganz Lhaeon nur noch zwei von ehemals 17 Wehrklöstern, die intakt zu sein scheinen«, sagte er. »Die Bevölkerung des Nachbarlandes ist zudem seit unserer Intervention gegen die Wandermönche in einem zunehmend desolaten Gesundheitszustand. Der Feind ist insgesamt am Boden – infrastrukturell und was die Volksgesundheit angeht. Die Kindersterblichkeit ist so hoch wie seit dem Altertum nicht mehr. Mir kommt es vor, als prügelten wir mit Dreschflegeln auf einen Leichnam ein, Herr General.«

»Sie klingen wie Mesmereth! Sind Sie auch der Auffassung, dass wir den Ausnahmezustand beenden sollten?«

 »Jawohl, Herr General! Wir waren einst eine Räterepublik und der Krieg ist gewonnen.«

Itais Gesprächspartner schwieg weiterhin.

Der Revisor blickte sich immer wieder kurz um, bewunderte die Aussicht.

Zuletzt waren sie am Scheitelpunkt des überdachten Hügels angekommen. Hier gab es eine flache, rechteckige Umfriedung, sie maß etwa zwei Schritte im Quadrat. Nemeth schnalzte abschätzig, drehte sich abrupt um, so dass November fast in ihn hineingelaufen wäre.

»Seit die verdammten Lhaeonier vor 90 Jahren das Meer vor Issnexe mit ihrer Elementar-Magie entzündet haben, brennt es lichterloh! Und wir wissen, dass es nicht nur an der Oberfläche entflammt ist. Diese vermaledeiten Schlitzaugen haben unsere Kornkammer mit Säureregen bis auf das Grundgestein weggeätzt! Wo heute die »Laryngische Wüste« liegt, standen vor 70 Jahren noch sechs Großstädte, darunter Beth-War und Eschkalon – die Silberne Stadt. Vergessen Sie das nie!«, presste er voller Wut hervor, dann sprach er scheinbar beherrscht weiter: »Grüßen Sie Mesmereth von mir, November«. Er stellte sich in die Fläche vor ihnen und versank im Boden, als sei das die normalste Sache der Welt. Er nickte dem rangniederen Hauptmann zum Abschied desinteressiert zu.

»Beide Seiten haben Grausamkeiten begangen«, hatte Itai noch sagen wollen, jetzt jedoch starrte er wortlos auf den versinkenden General. Er hatte von solchen Fahrstühlen gehört, aber es mit eigenen Augen zu sehen, verschlug ihm den Atem. Als würden von der Unterseite des Befehlshabers hauchdünne Scheiben geschnitten oder als schmölze er in die Fläche hinein. Sehr beeindruckend, vor allem bei dem durch die Schellack-Überspannung zu einer Unterwasser-Atmosphäre gedimmten Licht! Als der General verschwunden war, stellte Itai sich selbst in das Quadrat, doch nichts passierte. Verlegen schaute er zu den fernen Arbeitern, blickte sich um.

Als er kurz die Augen schloss, sah er, aufgereiht wie eine Perlenschnur, die Stockwerke des Hügels vor sich. Unglaublich, welche Fortschritte sie in den letzten Jahren gemacht hatten! Er fixierte Ebene 0 und schon floss er durch die Etagen, hinunter, bis nach ganz unten.

Notiert euch eure Träume & Ideen, führt ein Traumtagebuch (es geht auch in Google Notizen), vielleicht wird eines Tages mal eine Geschichte draus.

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